Der Reimkultur-Blog

In loser Folge nehmen wir hier Stellung zu Themen, die uns beschäftigen.

 
28. Oktober 2020

Offener Brief

 

Sehr geehrte Frau Monika Grütters,
sehr geehrter Herr Hubertus Heil,
sehr geehrter Herr Peter Altmaier,
sehr geehrter Herr Olaf Scholz,
sehr geehrter Herr Jens Spahn,

kaum eine Branche hat seit Beginn der Pandemie härter dafür gearbeitet, ihren Kund*innen bzw. Zuschauer*innen wieder ein sicheres Erlebnis bieten zu können, als die Kulturbranche. Es wurden Hygienekonzepte erarbeitet, Lüftungsanlagen erneuert, Ein- und Auslassregeln erdacht, Nachverfolgungslisten geführt und vieles mehr – immer in enger Zusammenarbeit mit den Behörden.

Warum das alles? Weil man das Virus ernst nimmt, weil man sich der Verantwortung in der Pandemie bewusst ist und weil man sein Publikum keiner Gefahr aussetzen möchte. Damit war der Kulturbetrieb ein konstruktiver Teil der Lösung und nicht des Problems. Der politische Dank für diese Arbeit bleibt – mit Ausnahme folgenloser Lippenbekenntnisse – weitgehend aus.

Hiermit fordern wir, die freischaffenden Humorist*innen und Musiker*innen, Sie dazu auf, endlich für die coronabedingten Schäden, beispielsweise durch die Stilllegung bzw. die drastischen Einschränkungen des Live-Betriebs, aufzukommen. Diese Forderung bezieht sich dabei ganz explizit nicht auf uns wenige Topverdiener der Branche, sondern auf die vielen finanziell angeschlagenen privatwirtschaftlichen Kulturstätten, denen die Schließung droht oder die bereits schließen mussten, was fast zwei Millionen Menschen auf, vor und hinter den Kulissen die berufliche Perspektive genommen hat. Die Situation ist vielerorts so ernst, dass manche Unternehmer und Selbstständige sich bereits aus purer Verzweiflung das Leben genommen haben – es wird endlich Zeit für Sie, zu handeln!

Sie haben Maßnahmen beschlossen, die für uns faktisch einem Berufsverbot gleichkommen. Als Teil der Bewegung #alarmstuferot prangern wir an, dass wir bereits seit sieben Monaten auf konkrete und zielführende Entscheidungen warten. Dabei geht es nicht nur darum, endlich sinnvolle finanzielle Hilfen bereitzustellen, sondern gemeinsam mit uns Perspektiven zu schaffen, wie wir zukünftig den Kulturbetrieb wieder aufnehmen können.

In den letzten Monaten gaben Sie uns das Gefühl, weniger wert zu sein als Autos, Flugzeuge und Fußballspieler. Dabei gehören wir in der derzeitigen Pandemie zu den Wirtschaftszweigen, die ohnehin schon finanziell wesentlich schlechter gestellt sind als andere. Schließlich bekommen viele der (Solo-)Selbstständigen in unserer Branche aktuell kein Kurzarbeitergeld und die meisten auch kein Arbeitslosengeld I. Selbst die Grundsicherung bleibt vielen, trotz vereinfachtem Zugang, verwehrt. Sie fallen nach wie vor durchs Raster der Hilfsmaßnahmen. Die politische Wertschätzung scheint allenfalls den Steuern zu gelten, die diese Selbstständigen seit Jahrzehnten entrichten.

Die bisherigen staatlichen Finanzhilfen konnten nur Wenige aus unserer Branche tatsächlich nutzen, denn sie waren lediglich zur Deckung von Betriebskosten wie z.B. gewerbliche Mieten, Pachten sowie Kredite für Betriebsräume und Leasingaufwendungen gedacht. Kaum ein Selbstständiger in unserem Bereich hat diese Betriebskosten. Was hier die Existenz bedroht, sind private Ausgaben wie Krankenversicherungsbeiträge, Wohnungsmieten und allgemeine Lebenshaltungskosten, die von den Finanzhilfen nicht bezahlt werden dürfen.

Die gesamte Veranstaltungsbranche ist in Deutschland der sechstgrößte Wirtschaftszweig. Hier sind etwa 1,7 Millionen Menschen beschäftigt, und es werden knapp 130 Milliarden Euro direkt umgesetzt. Unsere Spezialisten haben Corona- Konzepte erarbeitet, die auch bei den wenigen Veranstaltungen, die es seit Pandemiebeginn gab, erwiesenermaßen einwandfrei funktioniert haben. Dennoch geriert sich die Politik seit sieben Monaten eher als Kultur-Verhinderer denn als -Förderer. Bei allen Corona-Beschlüssen wurden ganz selbstverständlich Veranstaltungen ein ums andere Mal mit Verboten belegt, während Flugzeuge, Züge, Busse, Bahnen, Fitnessstudios, Schwimmbäder und Saunen wieder gut frequentiert waren. Die pauschalen, undifferenzierten Aufrufe einiger Politiker, Veranstaltungen zu meiden, ist ein Schlag ins Gesicht all derer, die seit Monaten für die sichere Durchführung von professionellen Events kämpfen. Dafür gibt es keine logische Grundlage, denn die wenigen diesjährigen Kulturveranstaltungen, die stattfinden durften, waren im Gegensatz z.B. zu privaten Feiern allesamt keine Superspreader-Events.

Wir fordern:

  • Arbeiten Sie aktiv mit den Vertretern der #alarmstuferot zusammen und setzen Sie ihre Forderungen um!
  • Schaffen   Sie   Finanzhilfen, die der Branche nützen. Selbstständige Kulturschaffende müssen damit auch ihre privaten Kosten decken können.
  • Es müssen einheitliche Szenarien entwickelt werden, die den Kulturbetrieb wieder in Gang setzen. Geben   Sie   den   1,7   Millionen   Menschen   eine Perspektive!
  • Die Politik muss endlich verstehen, dass auch (größere) Veranstaltungen sicher durchführbar sind und dies auch gegenüber der Öffentlichkeit transportieren. Nur   so   gewinnt   das   Publikum   wieder   Vertrauen,   Veranstaltungen   zu besuchen.

 
Helfen Sie uns! Jetzt! Sonst werden wir in ein paar Monaten kulturell ein ärmeres Land sein. Vieles von dem, was dann verschwindet, wird nicht wiederkommen. Damit wird nicht nur produktiven Mitgliedern eines Wirtschaftssystems die Lebensgrundlage genommen, sondern eine Gesellschaft ihrer Seele beraubt.

Mit freundlichen Grüßen

Carolin Kebekus | Tobias Mann | Atze Schröder | Bastian Pastewka | Bela B | Bodo Wartke | Bülent Ceylan |  Chris Tall | Christoph Sieber | Dagmar Schönleber | Daphnede Luxe | David Kebekus | Dieter Nuhr | Donots | Dr. Eckart von Hirschhausen | Eure Mütter | Felix Lobrecht | Florian Schroeder | Gaby Köster | Gerburg Jahnke | Gregor Meyle | Hazel Brugger | Heinrich del Core | Helmut Schleich | Hugo Egon Balder | Ines Anioli | Jeannine Michaelsen | Johann König | Johannes Oerding | Kasalla | Lisa Feller | Luke Mockridge | Mario Barth | Markus Krebs | Martin Frank | Max Giermann | Max Mutzke | Michael Mittermeier | Micky Beisenherz | Niedeckens BAP | Olaf Schubert | Özcan Cosar | Querbeat | Peter Maffay | Paul Panzer | Ralf Schmitz | Ralph Ruthe | Sasha | The BossHoss | Tobias Künzel (Die Prinzen) | Torsten Sträter | Wolfgang Haffner

 
 
12. Oktober 2020

Was, wenn doch Konzerte stattfinden - aber kein Mensch käme?

 

Liebe Freundinnen und Freunde!

Es bahnen sich ein paar wenige Konzerte im Herbst an, die unter Corona-Auflagen werden stattfinden können, und für noch spätere Zeiträume bin ich sehr optimistisch, wieder vor gut besetzten Sälen spielen zu können.
Ich kann Euch sagen: ich freue mich schon sehr darauf, Euch im Konzertsaal zu sehen und live vor Euch zu spielen und zu singen!

Allerdings stellt sich die Lage im Augenblick so dar, dass für viele der angesetzten Termine seit Beginn der Krise so wenig Karten verkauft wurden, dass sich ein Aufbau der Show und ein Hinfahren zur Spielstätte gar nicht lohnt. Im Gegenteil: alle Beteiligten würden Verlust machen.
Jetzt stehe ich vor dem Dilemma, dass ich irgendwann zwar wieder auftreten dürfte, aber nicht kann, weil keiner kommen würde. Das bringt uns wieder an den Punkt, dass ich doch nicht auftrete, dieses Mal nicht wegen eines behördlichen Verbots, sondern weil keine Zuschauer:innen da sind. Aber Ihr seid ja da, oder?
Wir würden sofort losfahren, wenn es wieder geht, aber dann müssen wir wissen, dass wir vor Ort auch Publikum antreffen!
Jeder Kauf von Tickets ist ein Beitrag, mit dem Ihr zeigt, dass es wieder live losgehen soll. Fehlt dieses Zeichen, müssen wir Termine absagen, weil sie sich nicht rechnen. Das ist also ziemlich vertrackt: das Konzert findet unter Beachtung der Hygienemaßnahmen und behördlich geforderten Vorkehrungen aller Wahrscheinlichkeit nach statt, aber es sind so wenig Karten verkauft worden, dass es am Ende doch nicht stattfinden kann. Das wäre doch verrückt!
Vielleicht zögert Ihr, Karten zu kaufen, weil Ihr nicht sicher seid, ob die Auftritte wirklich stattfinden, Ihr wollt kein Risiko eingehen und sorgt Euch, dass Ihr vergeblich investiert. Aber ich denke, auch wenn es Anlaufschwierigkeiten mit der Rückabwicklung gab, so Ihr habt in den letzten Monaten doch gesehen, dass wir nicht leichtfertig mit Eurem Geld umgehen. Wir haben keine Gutscheine ausgestellt, sondern vollumfänglich Tickets erstattet. Und wo immer es ging, haben wir Ersatztermine gesucht statt Auftritte ausfallen zu lassen.
Ohne den Vorschuss Eures Vertrauens in Form von gekauften Tickets ist das Risiko einer Absage aufgrund der Verkaufszahlen irgendwann höher, als dass die Auftritte pandemiebedingt untersagt werden.
Deswegen, Leute: kauft Euch bitte Karten für meine Auftritte im Januar oder Februar und darüber hinaus, sofern Ihr gerne hingehen würdet. Es sind ja auch prima Weihnachtsgeschenke. Ich freue mich riesig darauf, Euch und Eure Lieben wieder in echt im Publikum zu sehen!

Glaubt mit mir gemeinsam daran, dass es bald bergauf geht und wir uns wiedersehen können! Auf bald, Euer Bodo

Hier findet Ihr Bodos Überlegungen auch als Video!

 
 
27. August 2020

Danke für Eure Unterstützung!

 

Wir sind überwältigt von der großen Resonanz, die meine Situationsbeschreibung und unsere Bitte bewirkt haben.

Ein Blogeintrag von Sven Schütze, Geschäftsführer von Reimkultur und Bodos Regisseur

Unzählige Glückwünsche, Anteilnahmen, herzliche Bekundungen und stärkende, ermutigende Kommentare sind bei uns eingegangen. Es schwappte eine große Welle des Mitgefühls, des Gemeinschaftsgefühls und der Dankbarkeit über uns herüber und ihre Wirkung umgibt uns noch jetzt.

Es ist wirklich grandios zu erleben, wieviel Euch Bodo und seine Kunst bedeuten, wieviel sie Euch bislang gegeben haben und wie groß die Bereitschaft ist, nun etwas zurückzugeben.

Was uns überrascht hat – wirklich sehr überrascht, ist die Bereitschaft für reine Geldspenden. Damit haben wir überhaupt nicht gerechnet. Diese überstieg deutlich die Käufe von Soli-Tickets für Livestream Konzerte oder freiwilligen Spenden die CouchCabarettCino-Abende, also Gelegenheiten, bei denen es eine unmittelbare Gegenleistung gab.

Aussicht und Planung bei Reimkultur

Wie ich in meinem letzten Blog Beitrag schrieb, halten wir akut noch durch. Aber natürlich könnte uns das Geld später, wenn es wirklich absehbar nicht weitergeht, sehr gute Dienste erweisen. Und es kann schon jetzt diejenigen in unserem Team, vor allem die vielen Freien, unterstützen, deren Einnahmequellen völlig versiegt sind.

Für uns bei Reimkultur und für Bodo bedeuten Eure Gaben vor allem Entspannung. Es ist gut zu wissen, dass wir auf Euch zählen können. Und es ist gut, eine Rücklage zu haben, wenn wir Ideen verwirklichen wollen. Wir haben noch so manche gute Idee, was wir Euch und allen da draußen anbieten können, wofür es sich lohnt, noch einmal Geld auszugeben und etwas Schönes dafür zu bekommen. Diese Ideen betreffen zum Teil Produkte, die wir noch nie gemacht haben, bedeuten also Pfade, die wir neu beschreiten – und die können steinig sein. Und in Zeiten wie den jetzigen überlege ich als kaufmännisch Verantwortlicher natürlich zweimal, ob wir uns ein "Experiment" leisten können. Denn jedes neue Produkt bedeutet erstmal eine Investition, es wird Geld benötigt, um es herzustellen, in der Hoffnung, den Einsatz später gewinnbringend zurückzuholen. Eine Situation wie die jetzige kann solche Verwirklichungen verhindern. An dieser Stelle hilft Eure finanzielle Unterstützung ungemein, denn sie bewirkt, dass wir mutiger versuchen können, nach vorne zu gehen.

Und an Ideen mangelt es nicht! Wir werden Euch auf dem Laufenden halten, was es alles zu entdecken geben wird, während Bodo nicht live für Euch spielen kann.

Werdet aktiv für die ganze Branche!

Genauso wichtig, oder sogar noch wichtiger als die finanzielle oder moralische Unterstützung für Bodo und sein Team ist allerdings die politische und gemeinschaftliche Unterstützung. Hierbei bitte ich Euch noch einmal um Mithilfe: wann immer Ihr auf eine Petition für die Kultur- und Kreativbranche stoßt, unterschreibt! Bei jeder Gelegenheit macht auf die miserable Situation der Kulturschaffenden aufmerksam. Wir finden noch immer zu wenig Gehör bei den Entscheidungsträgern. Über Gastronomie und Luftfahrt wird gesprochen, über Industrie und Einzelhandel. Das ist alles richtig und wichtig. Aber über die Kultur muss auch gesprochen, und es muss mit ihr gesprochen werden. Die Veranstaltungsbranche in Berlin versuchte nun schon mit der 4. Demo überhaupt auch nur einen Kontakt, ein Gespräch mit Entscheidern zu bewirken: ihre Rufe verhallten wiedermal ungehört. Am 9.9. wird es in Berlin eine Großdemo der Veranstaltungsbranche geben, bei der auch zahlreiche Künstler:innen und Kreative mitlaufen werden. Bitte lauft auch Ihr mit, unsere Fans, die Ihr uns unterstützt, begleitet, zuhört, zuschaut ... Alle, denen Kultur am Herzen liegt, sollten am 9.9. in Berlin auf der Straße sein. Mit Abstand und Maske natürlich, damit man uns nicht auflöst.

Das Video von Bodo & Sven zu diesem Blog-Eintrag findet Ihr hier.

 
 
12. August 2020

Wir sind existenzgefährdet!

 

Die Lage ist ernst. Sie ist mehr als ernst, sie ist bedrohlich. – Existenzgefährdend.

Ein Blogeintrag von Sven Schütze, Geschäftsführer von Reimkultur und Bodos Regisseur

Ein Blick auf die Lage

Mit Blick von heute aus, Anfang August 2020, werden wir in der nahen Zukunft keinen einzigen Auftritt von Bodo veranstalten können. Die Bedingungen, unter denen derzeit Konzerte – wenn überhaupt – stattfinden dürfen, erlauben es nicht, eine solche Veranstaltung für Konzertbesucher:innen, Künstler und Veranstalter zufriedenstellend durchzuführen. Je nach Bundesland darf nur jeder 3. oder 4. Platz besetzt werden, es dürfen keine Programme mit Pause gespielt werden. Eine Auslastung von 25 bis 33% ist aber unter keinen Umständen wirtschaftlich. D.h. wenn wir unter diesen Bedingungen Konzerte geben würden, dann würden wir "Geld zum Veranstaltungsort tragen", wie wir zu sagen pflegen.

Abgesehen davon, dass Auftritte noch nicht möglich sind, haben wir seit März quasi keine Karten mehr verkauft. Also selbst wenn es morgen hieße, alles könnte regulär und wirtschaftlich sinnvoll vonstatten gehen, dann kämen einfach nicht genügend Leute. Denn außer uns versuchen ja auch alle anderen Künstler:innen ihre Termine aus dem Frühjahr und Sommer nachzuholen. Es gäbe ein unglaubliches Überangebot, aus dem sich diejenigen, die sich noch Karten leisten könnten, etwas aussuchen müssten. Auch das ginge zu Lasten aller.

Die Schutzmaßnahmen, die die Länder ergriffen haben und die unsere Arbeit so einschränken, sind im Sinne des Infektionsschutzgesetzes leider keine Berufsverbote. Sie kommen in der Wirkung zwar einem solchen gleich, aber uns hat ja keine Behörde gesagt, dass wir nicht auftreten dürften. Sie haben uns nur die Wirkungsstätten geschlossen oder so weit eingeschränkt, dass es uns Geld kosten würde statt welches einzubringen, wenn wir auftreten würden. Durch diesen Mechanismus greift für die Veranstaltungsbranche auch nicht der Entschädigungsparagraf des Infektionsschutzgesetzes, demnach Betriebe oder Einzelpersonen, die zwecks Schutzes der Allgemeinheit geschlossen oder in Quarantäne geschickt werden, Entschädigung für den Verdienstausfall erhalten. Anders als Tönnies bekommen wir also auch kein Geld vom Staat.

Hilfsmaßnahmen?

Abgesehen davon greifen auch die bisherigen Hilfsmaßnahmen kaum. Auf Soforthilfe hatten wir bis 31.5., als das Programm auslief, keinen Anspruch, da wir zu dieser Zeit noch mit Erspartem aus dem Vorjahr über die Runden kamen. Da unsere Firma weniger als 10 Angestellte bzw. Vollzeitstellen beschäftigt, werden wir aus der Überbrückungshilfe für Juni bis August maximal 3x 5.000 € erhalten. Als Zuschuss zu den Betriebskosten. Die Hälfte davon kosten alleine unsere Büro- und Probenräume.

Umgekehrt machen die Einnahmen aus den Auftritten den Großteil der Einnahmen dieser Firma und damit auch von Bodo aus. Und nicht genug damit, dass das im Moment kaum möglich ist (bis auf ein paar spontane Open-Air-Konzerte - jetzt Ende August - und Experimente wie ein dreifacher Auftritt in Dortmund - Ende Juni - für weniger Honorar als dem geplanten Einzelauftritt), brechen natürlich auch die anderen Einnahmequellen weg: ohne Merch-Stand im Foyer verkaufen wir auch viel weniger Produkte, ohne GEMA-Abgaben der Veranstalter werden auch im nächsten Jahr noch viele Einnahmen fehlen, ohne Ticketverkäufe keine Vorverkaufsgebühr für Tickets (im Gegenteil kostet die Rückabwicklung für abgesagte Konzerte noch zusätzlich Geld).

Als im März die Krise begann, waren wir noch zuversichtlich. Wir hatten im vergangenen Jahr gut gewirtschaftet, ein Polster angelegt und konnten davon eine Weile lang zehren. Wir halfen uns mit 50% Kurzarbeit auf den meisten Arbeitsplätzen und waren zuversichtlich, dass bis zum Beginn der neuen Spielzeit die Sache durchgestanden sein würde. Oder dass man uns zumindest helfen würde.

Luftfahrt, Autoindustrie, Kulturbranche

Erstaunlich, aber wahr: obwohl die Kultur- und Kreativbranche nach Arbeitsplätzen die größte Branche in Deutschland ist (1,7 Mio. Arbeitsplätze, im Vergleich zum Fahrzeugbau auf Rang 2 mit 1,1 Mio.) und nach dem Beitrag zur volkswirtschaftlichen Gesamtleistung mit rd. 100 Mrd. € auf Rang 2 – hinter der Autoindustrie – liegt *, gibt es überhaupt keine wesentlichen Maßnahmen zur Verbesserung unserer Lage. Es gibt nicht einmal eine Rückmeldung auf Aktionen wie die Night of Light ** oder die diversen Demonstrationen der Veranstaltungsbranche und Petitionen der Künstler:innen und Kreativen. All die Versuche, Aufmerksamkeit zu erregen, verhallen ungehört im Kanzleramt und den diversen zuständigen Ministerien.

Und so kommt es, dass wir – auch Reimkultur und Bodo – nun, wo die Spielzeit 2020/21 quasi nicht starten kann, ernsthaft bedroht sind.

Reimkultur - unsere Firma

Wir – also Bodo und ich – haben Reimkultur gegründet, um eine Infrastruktur zu schaffen, die Bodos Kunst und meinen Beitrag dazu sichtbar werden lässt. In dieser Struktur können wir unsere Ideen umsetzen und in die Öffentlichkeit bringen.
Das mit Bodos und meiner Arbeit verdiente Geld wollen wir sinnvoll und entsprechend unserer Wertevorstellungen einsetzen. Unser Gedanke ist nicht neu: Geld ist ein soziales Gestaltungsmittel. Entsprechend ist unsere Firma konzipiert. Da wir obendrein beide von ganzem Herzen Kapitalismuskritiker sind, hat Bodo mal den schönen Leitsatz verkündet: "Lasst uns mit dem Geld Dinge tun, die dem Leben dienen". Und zwar dem Leben aller. Wir haben Menschen angestellt und Arbeitsplätze geschaffen, wir haben mit unseren Ideen für Arbeit gesorgt und auch gerne eher mehr Ideen umgesetzt als weniger. Obendrein haben wir uns schon immer sozial durch Spenden und Benefiz-Aktionen engagiert und so manches Projekt vorangebracht, das dem Gemeinwohl dient. Wir haben nie das finanzielle Risiko gescheut und mit so mancher Idee auch Geld in den Sand gesetzt. Passiert halt. Was wir jedenfalls nicht getan haben, ist Geld in großem Stil aus der künstlerischen Arbeit – sprich: der Firma – abzuziehen. Geld kann nur ein Gestaltungsmittel sein, wenn es nicht in irgendwelchen Anlagen oder auf Konten parkt. Es muss in Umlauf sein, damit es positiv wirken kann. Außerdem sind Bodo und ich grundsätzlich der Meinung, dass man für Bezahlung auch vorher gearbeitet haben sollte. Und nicht anderen Leuten Geld vorenthalten werden sollte, das die eigentlich verdient hätten, nur damit irgendwelche Aktionäre für Nichtstun auch noch bezahlt werden ("entlohnt werden" darf man das nicht nennen).

Und trotzdem hatten auch wir ein Polster, wie gesagt. Das ist nun aber aufgebraucht. Sollte es bis in den späten Herbst hinein nicht möglich sein, reguläre Auftritte durchzuführen und Geld zu verdienen, dann wird Bodo wieder Solo-Kabarettist und ich Solo-Regisseur sein müssen. Ganz viele Dinge, die bislang Bodo und seine Präsenz und seine Kunst ausmachen, werden dann nicht mehr möglich sein. Denn die fleißigen und scheinbar unermüdlichen Mitarbeiter:innen, die derzeit all das hinter den Kulissen möglich machen, was von Bodo zu sehen ist, werden wir dann nicht mehr bezahlen können. Und selbst wenn es dann wenig später wieder losgehen sollte, ist absolut nicht absehbar, wie viele Karten man zukünftig für Konzerte wird verkaufen können, denn Corona trifft alle und die Konjunkturmaßnahmen helfen nur wenigen. Die Mehrheit wird sich nicht mehr so freimütig Karten für Kunst und Kultur leisten können.

Was wir uns von Euch wünschen

Wir wünschen uns sehr, dass diese Not gesehen wird. Vor allem von den politisch Verantwortlichen, in der Hoffnung, dass es sie auf Ideen und zu Handlungen bringt, die uns nachhaltig helfen. Auch von Euch, unseren Fans, um Euch in Kenntnis darüber zu setzen, was bevorsteht. Und Euch dazu anzuregen, bei freiwilligen Angeboten zu überlegen, was Ihr beitragen, was Ihr geben könnt. Ob es der Leipstream Ende August ist, für den Ihr freiwillig einen beliebigen Beitrag als virtuelles Ticket leisten könnt oder der Online-Shop, in dem Ihr weiterhin gerne einkaufen und dabei auch eine Spende mitgeben könnt. Auch Spenden über unser Paypal-Spendenkonto <https://paypal.me/bwartke> sind möglich. Und wir wünschen uns, dass wir Multiplikator:innen ansprechen können, Menschen, die von unserer Situation erzählen und damit unsere Bedürfnisse und Wünsche bekannt machen, und ebenso alle, die z.B. Petitionen für die Kulturschaffenden zeichnen, sich Demonstrationen der Veranstaltungsbranche anschließen und im Netz aufstehen für den Erhalt ihrer Kultur.

Es braucht einen größeren Konsens in der Gesellschaft, dass die Kultur- und Kreativbranche im Begriff ist, auszubluten und abzusterben. Wir können das nicht mehr lange durchhalten!

Bodo braucht Menschen, die seine Kunst auf die Bühne, auf CD, in Notenbücher bringen. Ohne seine Mitwirkenden bleiben seine Ideen Kopfgeburten, können nie das Licht der Welt erblicken. Es braucht Theater, Studios, Agenturen, Veranstalter, Technikfirmen mit all ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern.

Bitte haltet uns am Leben mit Eurem Interesse, Eurem Protest und – ja, auch – Eurer finanziellen Zuwendung. Bleibt dabei, bleibt bitte die großartige, treue, interessierte Basis, auf der Bodo nun schon so lange sein künstlerisches Schaffen gründen kann. Weil er weiß, dass es da draußen Menschen wie Euch gibt, die hören und sehen wollen, was er zu sagen hat. Solange Ihr dabei seid, kann langfristig immer wieder aufgebaut werden. Danke!

Sven

* eine schöne Quelle hierzu: Das Video von „Mann, Sieber!“ zur Frage „Ist Kultur eigentlich systemrelevant?“ (6.26 Min.): https://www.youtube.com/watch?v=E2EpwDgEow0

** Info-Seite zur Night of Light-Aktion vom 22.6.2020: https://night-of-light.de/

Night of Light Großdemonstration zur Rettung der Veranstaltungswirtschaft unter dem Motto #AlarmstufeRot mit zentraler Kundgebung am Brandenburger Tor: 09.09.2020 um 12.05 Uhr in Berlin

 

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